Artikel in der SZ, 24.04.2020:
Von Bernhard Lohr
Es waren gerade die ersten Tagesordnungspunkte abgearbeitet, als vor einigen Monaten eine Sitzung des Gemeinderats in Brunnthal eine ungewöhnliche Wendung nahm. Von einem Moment zum anderen rückte viel Wichtigeres in den Vordergrund als Baubegehren oder Zuschussanträge. Anouchka Andres hatte ihren Platz verlassen und war hinaus gegangen, wenig später blinkte vor dem verglasten Saal das Blaulicht eines Notarztwagens, der am Rathaus vorgefahren war. Die SPD-Gemeinderätin hatte einen Schwächeanfall erlitten. Jetzt hat die bekannteste Sozialdemokratin im schwarzen Brunnthal mit 53 Jahren "aus gesundheitlichen Gründen" ihren Rückzug aus dem Gemeinderat verkündet.
Andres klingt am Telefon wie immer, wenn man sie anruft. "Ich habe eigentlich gehofft, dass es geht", sagt sie am Tag, nachdem sie die Mitteilung über ihr Ausscheiden verschickt hat. "Es tut mir wahnsinnig leid." Aber sie könne das Mandat nicht annehmen. Andres hatte seit dem Vorfall während der Sitzung an keiner Beratung des Gemeinderats mehr teilgenommen. Bei der Kommunalwahl indes trat sie auf Platz zwei der SPD-Liste hinter Christine Zietsch an, die sich schon anschickte, in die Fußstapfen von Andres zu treten. Doch Andres wurde nach vorne gehäufelt und ergatterte das einzige SPD-Mandat. Sie habe sich ihren Wählern verpflichtet gefühlt, sagt Andres, und habe sich deshalb bis Ostern Zeit genommen, um zu sehen, ob die Gemeinderatsarbeit noch möglich sei.
Das ist sie nicht. Und so gehört eine der beharrlichsten Kritikerin von Bürgermeister Stefan Kern (CSU) künftig dem Gremium nicht mehr an. Andres hatte 2008 mit Matthias Amtmann von der UBW den amtierenden Bürgermeister herausgefordert. 2014 bot sie als alleinige, von UBW und Grünen unterstützte Kandidatin dem Amtsinhaber die Stirn. Und Andres schmiedete mit das Bündnis, das jetzt im März 2020 hinter Bürgermeisterkandidat Jürgen Gott von der PWB stand. Diesmal stellten sich sogar PWB, UBW, SPD und Grüne gegen den CSU-Mann. Es war freilich vergebens.
Die Macht der CSU in Brunnthal infrage zu stellen, gelang Andres nicht. Dafür setzte sie sich in konkreten Streitfällen durch. Eine der bittersten Niederlagen für Kern war das Scheitern der Pläne für die Freizeitinsel am ehemaligen Gut Englwarting. Andres war 2004 eben erst für Georg Simet in den Gemeinderat nachgerückt, als die Entscheidung über die Wochenendsiedlung anstand, die ein Investor mit Kerns Unterstützung plante. Laut SPD hätte das Projekt als einer von vielen Tagesordnungspunkten in aller Kürze abgehandelt werden sollen. Andres habe zur Besonnenheit geraten und eine Prüfung des Projekts beantragt, wofür sie im Gemeinderat harsch angegriffen worden sei. Letztlich verhinderte ein Bürgerentscheid das Großprojekt, das - so findet die SPD - "ein veritables ökologisches und ökonomisches Desaster für die Gemeinde geworden wäre".
In der Folge brachte Andres viele Anträge in den Gemeinderat ein: Gebührenermäßigung für Kindergartenkinder mit Geschwistern, Weichenstellung für Kinderkrippenbetreuung, Vorschuss für bedürftige Familien bei den Kinderbetreuungskosten, Förderung von Einheimischenmodellen. Zuletzt setzte sie sich für Verbesserungen beim ÖPNV und für die Entschärfung der unfallträchtigen Kreuzung in Faistenhaar ein. Ihre Arbeit, so beschreibt es Andres selbst, habe oft "der biblischen Geschichte von David gegen Goliath" geglichen. Die CSU-Mehrheit habe Neuerungen einfach deswegen blockiert, weil sie vom politischen Gegner gekommen seien, wie etwa zur Energiewende und Geothermie. Vielleicht kommt Andres auch wieder. Man müsse sehen, was die Zukunft bringe, sagt sie. 2026 stehen ja wieder Wahlen an. Jetzt zieht erst einmal Christine Zietsch, eine Betriebswirtin, für die SPD in den Gemeinderat ein.